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Analog digital arbeiten - So geht's


"Ich bin gestern schon wieder bis spät in die Nacht an meiner Präsentation gesessen, damit die heutige Videokonferenz mit meiner Klasse gut läuft. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich alles neu machen muss. Bei so vielen Klassen und meinen eigenen Kindern im Homeschooling ist das kaum leistbar. Mein Tag bräuchte aktuell mindestens 48 h!"

 

Geht es dir genauso? Du willst deinen (Distanz)Unterricht bestmöglich im Sinne deiner Schülerinnen und Schülern vorbereiten und durchführen, bist aber aufgrund der aktuellen Lage überfordert, obwohl du dein Bestes gibst?

 

Der zweite Lockdown ist da und ging in eine weitere Verlängerung. Für mich persönlich, aber auch in vielen Gesprächen mit (Lehrer-)Freunden und Kollegen merke ich, dass diese zweite Phase eine andere Qualität hat als die erste. War es damals noch so, dass man die Zeit irgendwie überbrücken wollte, um schnellstmöglich wieder zur "Normalität" zurückkehren zu können, merke ich jetzt, dass sich das digitale Arbeiten mehr und mehr  (gezwungenermaßen) in unserem Alltag etabliert und mit Sicherheit auch manifestiert. Aus der Not des ersten, entstehen nun im zweiten Lockdown konkretere Überlegungen den (eigenen) Unterricht entsprechend zu transformieren, damit unseren Schülerinnen und Schülern möglichst wenig Defizit entsteht. Gleichzeitig entdecken viele Kolleginnen und Kollegen die Chancen, die das digitale Arbeiten sowohl für die eigenen Schülerinnen und Schüler als auch für sich selbst als (Lehr) Person hinsichtlich eines zeitgemäßen Lernens mit sich bringt. Das Problem ist jedoch, dass sich dieser Wandel  jetzt sofort, von heute auf morgen, vollziehen muss. Ich habe im Vergleich zu vielen Kolleginnen und Kollegen den großen Vorteil, dass ich seit etlichen Jahren mittels meines Flipped Classrooms den digitalen Weg bereits eingeschlagen habe (wobei dabei natürlich noch viel "Luft nach oben" ist, was ich aktuell merke). Aber alleine die Tatsache des ausgelagerten Inputs in Form von Erklärvideos erleichtert mir gerade Vieles und lässt mich meinen "digitalen Weg" auf einer anderen Ebene weiterdenken.

 

Welche Möglichkeiten haben aber aktuell Kolleginnen und Kollegen, die einen tollen analogen Unterricht machen und jetzt gezwungen werden, auf digital "umzuschalten"? Daheim stehen zig Ordner mit genial vorbereiteten, schülerorientierten Overheadfolien oder Arbeitsblättern, - materialien... , die aufgrund der technischen Hürden aktuell nicht an die Lernenden gebracht werden können.

 

Ein erster Schritt möglichst analog in das digitale Arbeiten starten zu können, ist der Einsatz des eigenen Smartphones als Webcam bzw. als Dokumentenkamera. Zusammen mit einer entsprechenden Smartphonehalterung ist ein "sanfter" Start ohne Probleme möglich und ebnet, aufgrund des ressourcensparenden Einsatzes von "Bewährtem", den Weg, sich schrittweise mit der neuen Materie anzufreunden und entsprechende Vorteile hinsichtlich des eigenen Unterrichts zu entdecken und zu vertiefen.

 

Meine dreiteilige Tutorialreihe, in der ich eine notwendige App für's Smartphone und den entsprechenden Client für das eigene Betriebssystem vorstelle und zeige, wie man diese in den gängigen Videokonferenztools einsetzt, soll vor allem Kolleginnen und Kollegen helfen, die aufgrund der aktuellen Lage etwas überfordert sind.

 

Los geht's:


Smartphone zur Webcam "umfunktionieren"


Im ersten Video stelle ich dir die App "DroidCam" sowie deren zugehörigen Client für das entsprechende Betriebssystem vor. Wir installieren gemeinsam sowohl den Client als auch auch die zugehörige App, schauen uns im Anschluss die Benutzeroberfläche mit den grundlegenden Funktionen an und "koppeln" zum Schluss dein Smartphone mit dem Client, sodass es im Anschluss von deinem Videokonferenztool als Webcam erkannt wird.


Im zweiten Video zeige ich dir, wie du dein Smartphone im Videokonferenztool BigBlueButton als Webcam auswählst bzw. einsetzt. Außerdem zeige ich dir ein erstes mögliches Szenario des unterrichtlichen Einsatzes. Hierbei arbeitest du mit deiner gewohnten Webcam, die dich selbst zeigt,  sowie mit deinem zur Dokumentenkamera umfunktionierten Smartphone, das dir ein analoges Arbeiten ermöglicht.


Im dritten Video zeige ich dir wie du dein Smartphone im Videokonferenztool Microsoft Teams als Webcam auswählst bzw. einsetzt. Auch hier schauen wir uns gemeinsam kurz ein zweites mögliches Szenario an, das du mit deiner selbstgebauten Webcam, die als Dokumentenkamera eingesetzt wird, einfach und umkompliziert umsetzen kannst.


Ideen zum Einsatz als Dokumentenkamera


Um dein Smartphone als Dokumentenkamera in Videokonferenzen verwenden zu können, benötigst du neben der oben vorgestellten App eine entsprechende Halterung.  Hier siehst du  meinen Aufbau, der die entsprechende Umsetzung ermöglicht. Wenn du kein Geld für eine Smartphonehalterung ausgeben möchtest, gibt es etliche Möglichkeiten, dir selbst ein entsprechendes Setting zu bauen. Mögliche Umsetzungen (zum Weiterdenken bzw. zum Adaptieren) möchte ich dir im folgenden vorstellen: Ausgangspunkt für meine Überlegungen war das Tutorial meines sehr geschätzten Kollegens Marcus von Amsberg, der mit Bohrer etc. eine tolle Trickbox hergestellt hat.

Meine Variante unterscheidet sich etwas von Marcus' Ursprungsidee, da mir wichtig war, dass genügend Armfreiheit da ist, um auf das vorbereitete DIN A4 Blatt auch Notizen etc. anfertigen zu können. Aus diesem Grund habe ich rechts und links noch den entsprechenden Platz geschaffen, um diese Möglichkeit zu haben.

Nach dieser ersten Umsetzung gingen meine Überlegungen weiter bzw. die Suche nach einer kostenlosen Variante begann. Der Obsthändler meines Vertrauens lieferte die Lösung: Eine Orangenkiste, etwas Kreativität und die Unterstützung bzw. das Mitdenken eines Freundes ließen die nebenstehende Umsetzung enstehen.

Zum Abschluss musste dann final noch eine stabile "Deluxevariante" her, die sich in Form einer im Keller gefundenen Weinkiste offenbarte. Mit etwas mehr Aufwand und entsprechendem Werkzeug entstand die nebenstehende Umsetzung, welche bei Nichtgebrauch als Spielzeugpferdestall für meinen zweitjüngsten Sohn zum Einsatz kommt.


Fazit


Besondere Zeiten erfordern pragmatische Lösungen

 

Warum zeige und beschreibe ich hier all meine Überlegungen, Ideen und die daraus entstandenen Halterungen? Sicher nicht, weil ich erwartete, dass nun jede(r) Lesende im Anschluss in seine Werkstatt geht, um sich solch eine Halterung zu basteln. Sie stehen eher sinnbildlich für das meines Erachtens notwendige Handeln unter den aktuellen Bedingungen. Entsprechende Geräte sind sowohl auf Lehrer- als auch auf Schülerseite nicht flächendeckend da, der Lockdown 2 und der damit einhergehende Handlungsdruck jedoch schon. Die Zeit des Umschwungs (in Schule, in der Gesellschaft...) ist definitiv da und erfordert kreative Ansätze, gemeinsames (Weiter)Denken, problemorientierte Strategien und entsprechende pragmatische, flexible Lösungen. Die mit dem Umschwung einhergehende Überforderung darf keinesfalls zu Frust oder gar Verweigerung führen, sondern bedarf möglichst "einfacher" Lösungen in einer komplexen Situation. "Vertrautes" und "Bewährtes" darf nicht adhoc über Bord geworfen werden, sondern sollte (zu Anfang) beibehalten werden, um eine gewisse Sicherheit in der Unsicherheit zu gewährleisten. Nur so wird der Blick auf das Neue eröffnet und die Lust an Veränderung geweckt.

 

In diesem Sinne schließe ich mit einem Zitat, das mich seit Jahren bei Elternabenden und Fortbildungen zum Flipped Classroom treu begleitet und auch in der aktuellen Phase treffend ist: 


Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.

Chinesisches Sprichwort


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Kommentare: 4
  • #1

    Jh (Dienstag, 26 Januar 2021 19:48)

    Hallo, für Teams geht es gar noch einfacher: Teams-App aufs Handy, mit dem "normalen" Endgerät die Konferenz starten, mit dem Handy ebenfalls der Konferenz beitreten, dort auf das Teilen-Symbol, "Video freigeben", "Präsentation starten".

  • #2

    Sebastian (Dienstag, 26 Januar 2021 19:51)

    Toller Tipp, danke für den Hinweis :)

  • #3

    Julian (Freitag, 05 Februar 2021 10:26)

    Hallo!
    Vielen Dank für diesen sehr informativen Beitrag.
    Dürfte ich fragen welches Tischstativ du verwendest? Das sieht nach einer kleinen und leichten Lösung aus, die man auch gut in Klassenzimmern ohne Dokumentenkamera einsetzen könnte...
    Vielen Dank!

  • #4

    Felix (Freitag, 05 Februar 2021 13:25)

    Hallo, welche gekaufte Smartphonehalterung verwenden Sie? Wie ist es mit der Beleuchtung, benötigt man noch eine Lichtquelle oder reichen die Lichtverhältnisse in einem normal hellen Raum aus?
    Vielen Dank!